Ein historisches Fundstück bezeugt die Grauen des Dreißigjährigen Krieges: Wir geben hier die Transkription eines Flugblattes von 1631 wieder, auf dem ein Massaker in Magdeburg angeprangert wird. Der Historiker Markus Lange hat den Text erstmals übertragen und gibt eine kurze historische Einordnung.

Propempticon Tyllicum
Tyllisches Glück auf die Reise
oder
Magdeburgisches Blut
bei Leipzig gerochen
Gestellet
Von einem des heiligen Evangelii und
Deutscher Libertet Liebhaber
Psalm 57
Der Herr hat Gräuel an den Blutgierigen und Falschen
Psalm 55
Die Blutgierigen und Falschen werden ihr
Leben nicht zur Hälfte bringen.
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Gedruckt im Jahr 1631
Schwimmt hin, schwimmt doch nun hin ihr frommen Christen Herzen 
Den Strom hinab, ihr seid nun genug beweint mit Schmerzen.
Was seht ihr zurück? Bejammert eure Not?
Was steht ihr still? Schwimmt fort, euer Schifflein fährt zu Gott.
Ob man gleich an den Feind kein Fünklein Lieb‘ verspüret,
Der euch die Erd missgönnt. Ins Wasser hat geführet,
Ob gleich da niemand war, der euch gewaschen ab
Vom Blut, der euch beweint, der euch gelegt ins Grab:
So ist doch eure Leich‘ begangen und gehalten
In werter Christenheit von Jungen und von Alten.
Auf allen Kanzeln hat man euer Lob gepreist,
Mit vielen Tränen euch den letzten Dienst beweist:
Die Elbe selbst, die hat euch gleichsam aus Erbarmen
Im Wurf gefangen auf mit auf gesperrten Armen
Als eine Mutter euch geherzet und geküsst
Und wie sie euch von sich soll lassen, nicht gewusst:
Um euretwillen hat sie großen Schmerz empfunden,
Gesäubert eure Leich, gewaschen eure Wunden.
So sehr sich ausgeweint, dass sie gering und klein
Ist worden und viel Elb fast nicht mehr scheint zu sein:
Die Ströme, so von ihr und zu ihr wieder kommen
So bald sie euren Tod und Untergang vernommen.
Für Leid sie ihren Fluss all ausgetränet ha' n,
Dass keines fast nicht mehr ein Mühle treiben kann.
So grob es nie gemacht die scheußlichen Maranen,
Wann gegen Christen sie geschwungen ihre Fahnen.

Ihr Säbel haben sie niemals so scharf gewetzt.
Und sogar Teufelisch in Christen Blut genetzt.
Ob solcher Tyrannen sich auch die Sonn beweget,
Als bald ein ander Kleid, ein Trauerkleid, anleget,
Mit rot geweinten Aug sich von uns weggemacht,
Begeben selben Tag ganz traurig gute Nacht.
Drum schwimmt doch immer hin, ist euer Burg zerstöret?
Den Himmel euch Gott dafür zur Burg verehret.
Seid ihr blutig und wund? Ist Christi Farb und Fahn,
So ritzt und zeichnet er, die ihm gehören an.
Freu dich, du edle Magd, du bist noch ungeschändet:
Den alten geilen Bock hat zwar die Lieb‘ geblendet.
Die Lieb‘, ein Hurenlieb‘, begehret dein in Unehr‘.
Drum hast du mit Ruhm und Ehr‘ dich gesetzt zur Wehr.
Was hat er nun von dir? Hat dir zwar abgenommen
Dein Kränzlein mit Gewalt, nichts mehr hat er bekommen:
Das Fleisch war ihm zu teuer, die Suppen tut‘s ihm wohl.
Hätt er gelernet vor, wie man recht löffeln soll.
Der alte geile Bock lässt sich noch wohl genügen,
Unwert der edlen Magd, an einer alten Ziegen.
Man führt nicht stracks die Braut, wann man bei einem Tanz
Ein'm Mägdlein mit Gewalt abnimmt ihren Kranz.
Freu dich, du edle Magd, lass deinen Kummer schwinden.
Es wird in kurzer Zeit ein ander Kränzlein winden,
Ein‘ hochgeborne Frau, und krönen dich aufs neu.
Sie ist schon auf dem Weg. Du edle Magd dich freu.
Freu dich, du edle Magd, freut euch selige Seelen
Freut euch zerstörte Leut und tut euch nicht mehr quälen.
Dein Unschuld, euer Blut, eure Tränen und Gebet‘
Mit Gnaden Augen Gott nun
angesehen hat: 
Der Löwe aus Mitternacht, der ist herfürgebrochen,
Dein Unschuld, euer Blut, Gott Lob und Dank, gerochen.
Der Löw, der edle Löw sein Schwert gefasset hat,
Durch Gottes Geist und Stärk getan ein große Tat:
Weislich hat er sein Volk zum Treffen angeführt
Weislich hat er sein Volk, wie sich's zur Schlacht gebührt,
Verordnet, mit Gebet hat er's gegriffen an.
Mit Gott und mit dem Schwert hat er den Feind geschlan.
Gustave, großer Held, wie bist du diesen Leuten
Nur für ein Schimpf und Spott, nur für ein‘ gute Beuten
Stets ausgeschrien, wie hat man für flüchtig dich
Gelästert, der du nie dem Feinde hieltest Stich.
Den Schimpf hast du mit Ehr‘ und großen Ruhm gerochen,
Dem Feinde seinen Stolz und Übermut gebrochen.
Du bist gestanden so viel hundert Meilen her.
Dein Stehen das hat gemachet laufen sehr.
Herr Tilly, seht euch um, seht, wie der Schwede stehet,
Dass euch der rote Saft über die Backen gehet.
Herr Tilly, noch ein‘ Trunk nehmt mit auf den Confect.
Ein guter Wein gar wohl auf solche Sachen schmeckt:
Nehmt doch was mit euch heim und bringet's euren Söhnen,
Die in den Klöstern Gott im hohen Himmel höhnen.
Sind hübsch harte Nüss bittere Mandelkern‘,
Den Mönchen ich davon was gönnet herzlich gern.
Die Narren haben sich all‘ toll und voll gesoffen
Des Confects ungewohnt, sind teils davon geloffen.
Ohn Harnisch, ohne Pferd, ohn‘ Degen, Hut und Schwert,
Viel tausend wie die Säu‘ da liegen auf der Erd‘.
Zu geizig haben sie die süßen Ding geschlungen
Und dann einander drauf zum starken Trunk gezwungen.
Sie haben nicht gewusst, zu halten rechte Maß.
Drum ihnen es bekommt gleich wie dem Hund das Gras:
Mich deucht, Herr Tilly, euch es besser wär bekommen,
Wenn ihr mit Butter hätt‘ und Käs‘ vorlieb genommen,
Wie man die Mahlzeit hier beschließt im Deutschen Land.
Confect und andre Ding, die sind uns unbekannt.
Jedoch ist euch von uns ein übrigs widerfahren.
So nehmt es an zu Dank, man pflegt nicht gern zu sparen.
An fremde Leut‘ ein Gast man ehrlich halten soll
und nicht abspeisen schlecht mit Speck und saurem Kohl.
Geht hin, Herr Tilly, ziehet und tut euch nun begeben
Zu der beschornen Rott hinein ins Klosterleben.
Ihr habt von eurem Krieg doch schlechten Ruhm und Ehr‘.
Das Best‘ ist Brand und Mord, Diebstahl und sonst nichts mehr.
Kein Kirch‘ ist fast im Land, ihr habt sie aufgebrochen.
Die Offiziere selbst sind mit hinein gekrochen.
Für euch ist fast kein Pferd geblieben in dem Stall.
Weibsbilder ihr auch habt geschändet überall.
Wenn ihr gleich alle Tag‘ hört vier und zwanzig Messen,
Kein Weib nicht rühret an, kein Fleisch nicht wollet fressen,
In keinem Bette schlaft, ruft alle Heil‘gen an,
So seid ihr doch auf Erd‘ der allergrößt‘ Tyrann.
Eur‘ vorig‘ Ehr‘ und Ruhm ist nun ins Grab geleget,
Weil feste Zauberei sie bishero geheget.
Jetzt liegt sie in dem Dreck, verstutzter Rittersmann,
Euch drei Pillen von Blei den Spott geleget an.
Eur‘ Rückgrad zeiget das, welcher ist aufgelaufen,
Mit schwarz und blau vermischt, da sich zusammen haufen
Über den Gürtel euch drei Beulen voller Wust,
Die zu fernerm Confect euch machen schlechten Lust.
Lasst euch befremden nicht, dass ihr so zugerichtet
Und von der Finnen Schar so spöttlichen vernichtet.
Am zähen Stockfisch sie des Klopfens sind gewohnt,
Drum haben billig auch sie euer nicht geschont.
Warum tut ziehen ihr wie Kaufleut‘ auf die Messen?
Sanct Michael hat vor diesmal euer ganz vergessen.
Und weil man um die Zeit Baumöl nach Leipzig führt,
Kursachsens Mildigkeit ihr darin habt verspürt.
Wer wollte leugnen das? Ihr selbsten müsst's gestehen,
Viel tausend tausend es mit Augen angesehen,
Wie ihr gelegen hin und her in grüner Saat
Und mit erkalt‘em Mund gebissen in Salat.
Ihr nagelneue Herrn, ihr Hechel-Jubilierer,
Du Mausfall, Mausfallmann und ihr Kamin-Spazierer,
Die ihr so plötzlich seid im Stand gestiegen auf,
Jetzt bricht und knackt es, ihr fallet all zu Hauf.
Lasst Fürsten Fürsten sein, lasst Freiheit Freiheit bleiben,
Welch ihr wollt aus dem Land samt Gottes Wort vertreiben.
O Stolz, O Übermut. Die Seinen nicht verlässt
Der fromm getreue Gott, sein Wort muss stehen fest.
Gustavus ist gesandt zu uns aus fremden Orten
Kursachsen tut ihm auf seins Landes Tür und Pforten.
Für Gottes Wort sie beid zustreiten habn ein Mut.
Die Hessen setzen auch auf, Ehr, Leib, Gut und Blut
Wohlauf königlichs Blut, wohlauf ihr deutscher Helde‘.
Verbleibt einander treu zu Haus und auch zu Felde.
Tret't beieinander um und gebet Gott die Ehr‘,
Der euch gegeben hat den Sieg durch Kriegesheer.
Gott geb euch allesamt Rat, Weisheit und Verstande,
Demut und Einigkeit, damit durch euch im Lande
die deutsche Freiheit man doch wiederum erlang
Und Gottes Wort hinfort mag haben freien Gang:
dazu wird euch Gott Glück und seinen Segen geben,
Gesundheit, Kraft und Stärk‘, dazu ein langes Leben.
Drum wir nun wollen Gott im Himmel rufen an,
der wolle für euch her in allen Treffen gahn.
A M E N

Kommentar

Der Dreißigjährige Krieg begann im Jahr 1618 mit dem Prager Fenstersturz verbunden mit dem protestantischen Ständeaufstand in Böhmen. Das Königreich unterstand dem Kaiser Ferdinand II., der nach der Niederschlagung die Böhmen wieder rekatholisierte. So verließen glaubensflüchtige Exilanten ihre Heimat und fanden Zuflucht u.a. in Magdeburg.
Die Stadt mit der Jungfrau, die einen Kranz hält, im Wappen hatte sich bereits 1524 zur Reformation bekannt und entwickelte sich zum Zentrum des Widerstandes gegen die Rekatholisierung.
Ein Bündnis mit dem schwedischen König Gustav Adolf, der die protestantischen Armeen gegen den Kaiser anführte, besiegelte den Standpunkt Magdeburgs gegenüber der katholischen Soldateska.

Das Flugblatt ist eine deutliche Reaktion aus dem protestantischen Kursachsen über die Grausamkeit der kaiserlichen Truppen in Magdeburg am 20. Mai 1631. General Tilly war kurz zuvor in Frankfurt (Oder) vor den Schweden zurückgewichen und kesselte nun die Stadt vollständig ein.
In nur wenigen Tagen richtete er mit seinen Soldaten in der einst reichen Hansestadt an der Elbe ein Blutbad an, das an Grausamkeit kaum zu überbieten war. Die von der Belagerung ausgezehrte Soldateska zog nach der Eroberung Magdeburgs durch die Straßen, plünderte und tötete 20.000 Menschen. In unbeschreiblicher Brutalität wurden unzählige Frauen und Mädchen vergewaltigt. Sogar Säuglinge wurden aufgespießt durch die Stadt getragen. Das Blut der Leichen färbte die Straßen rot. Das Ereignis ging wegen des Wappens in die Geschichte ein als „Magdeburger Bluthochzeit“.

Die Reaktion im Flugblatt zeigt durch die deutliche Wortwahl, wie entsetzt man über diese Tat war. „Magdeburgisieren“ wurde zukünftig das Synonym für totale Vernichtungen sein. Sämtliche Hoffnungen lagen nun auf Gustav Adolf mit seinen Schweden.

Da bislang noch keine Transkription für dieses Flugblatt existierte, soll diese Ausarbeitung die Forschung des dunklen Ereignisses in der deutschen Geschichte unterstützen. In Sprache und Aufbau ist diese Botschaft aus Leipzig beispielhaft für das Zusammenwirken von Trauer, Wut, Verachtung und Hoffnung.

Markus Lange

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