Dahlem-Dorf
Vom Wittenbergplatz kommend, hatte die Stadt Wilmersdorf eine eigene U-Bahnlinie gebaut, um für das neue Rheingauviertel eine schnelle Verbindung nach Berlin zu schaffen. Die staatliche Domäne Dahlem führte die Linie bis zum vorläufigen Endbahnhof Freie Universität (bis 2016 Thielplatz) weiter. Der Bau der U-Bahn begann 1911, die Eröffnung für den regulären Verkehr fand am 12. Oktober 1913 statt. Drei Tage zuvor gab es eine offizielle Einweihung für geladene Gäste.
Das Empfangsgebäude der Station Dahlem-Dorf entwarfen die Brüder Friedrich und Wilhelm Hennings. Es besteht aus Fachwerk und ist dem niederdeutschen Hallenhaus nachempfunden. Es heißt, dies sei auf Wunsch des Kaisers geschehen. Durch mit Schmiedeeisen beschlagene Holztüren erreichen die Fahrgäste die Schalterhalle. Dort erwartet sie eine bemalte Kassettendecke im Stil eines Rittersaals. Kein Wunder, dass die Japaner 1987 diesen U-Bahnhof zum schönsten in Europa kürten. Das Reetdach brannte am 27. Dezember 1980 vermutlich durch Brandstiftung ab, wurde aber 1981 wiederhergestellt. Als es am 28. April 2012 nachts erneut brannte, verwendete man bei der Wiederherstellung des Daches aus Sicherheitsgründen statt Reetgras eine Nachbildung aus Kunststoff.
Seit 1984 stehen auf dem Bahnsteig extravagante Sitzmöbel mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Die Holzbänke wurden von dem Künstler Wolf van Roy alias Wolfgang Kleinsteuber entworfenen. Sie ähneln einigen afrikanischen Statuen, die bis zu ihrem Umzug ins Humboldt Forum in den benachbarten Dahlemer Museen standen.
Wegen der Nachbarschaft zur Domäne Dahlem witzelt man, dies sei Deutschlands einziger Bauernhof mit U-Bahnanschluss. Aber nur dafür hätte man die U-Bahn sicher nicht gebaut.
Die Domäne Dahlem war ein königlicher landwirtschaftlicher Großbetrieb, dessen Flächen ab 1901 parzelliert wurden. Der Fiskus plante eine Villenkolonie, reservierte aber auch Flächen für wissenschaftliche und kulturelle Institutionen des Staates. Bis 1915 waren insgesamt 384 private Wohngebäude errichtet worden. Für deren Bewohner samt Dienstpersonal war die U-Bahn nun eine schnelle Verbindung in die Stadt, ebenso wie für die Mitarbeiter in den staatlichen Institutionen, die nach Dahlem kamen.
Paulsternstraße
Der Begriff »Paulstern« soll auf den Gastwirt Paul Stern zurück gehen, dessen Gasthaus im frühen 18. Jahrhundert in der Nähe der heutigen Nonnendammallee stand. Auch die Namen »Zum Güldenen Stern«, kurz »Stern« oder »Goldener Stern« sind überliefert.
Die Paulsternstraße hieß bis zum 13. Mai 1929 Schwarzer Weg. Um 1890 hatte der Militär-Fiskus zu beiden Seiten der heutigen Straße einen Exerzierplatz der Preußischen Armee angelegt. Später war die Paulsternstraße bis Ende der 1970er-Jahre von weitläufigen Schrebergartenkolonien gesäumt. Entsprechend ihrer früheren Nutzung lagen im nordöstlichen Teil die Kleingartenkolonien Alter und Neuer Exerzierplatz, am südwestlichen Ende der Straße die Kleingartenkolonie Paulstern.
Die Sockel der Wände zeigen eine Art Luchlandschaft mit Schilf, Gras und Blüten. Gewollt oder ungewollt – sicher auch eine Reminiszenz an Hunderte von Schrebergärten, die es hier dereinst gab. Die dunkle Färbung der Kacheln macht deutlich, dass es in dieser Szenerie Nacht sein soll. Am Himmel bzw. an der Decke prangen etliche aufgemalte gezackte Sterne. Das weckt Assoziationen zum legendären Paul Stern und seinem Gasthof »Zum Güldenen Stern«, womit sich der Kreis schließt. Nach einer anderen Interpretation sind die Sterne Nachtfalter, die um die Lampen schwirren.
Christian Simon
Die schönsten Berliner U-Bahnhöfe
Gebunden, 144 Seiten, 158 Abb., 22,5 x 24,5 cm, ca. 200 Abbildungen
ISBN 978-3-8148-0270-1
1. Auflage, April 2023
26,– €
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