Am 29. Juni 2024 wurden die sterblichen Überreste von 100 Menschen, die im Mittelalter in Berlin gelebt haben, in einer feierlichen Prozession von der Parochialkirche in der Klosterstraße zum Petriplatz getragen, wo sie im Gebeinhaus (Ossuarium) des neu eröffneten Archäologischen Zentrums bestattet werden. Wie kam es zu diesem historischen Ereignis?

Unsere Autorin Claudia Maria Melisch hat mit ihrem Team am Petriplatz in Berlin-Mitte über 4000 Skelette ausgegraben, die dort im Mittelalter bestattet worden waren. Die Archäologin hat zusammen mit zahlreichen anderen Fachleuten diese Skelette untersucht und konnte auf diese Weise zu ganz neuen Erkenntnissen über Berlin im Mittelalter kommen. Die Skelette geben z.B. Auskunft darüber, was die Menschen früher gegessen haben, wo und wie sie gearbeitet haben, woher sie kamen und welche Todesursachen vorlagen. Auf diese Weise gibt es völlig neue Erkenntnisse über das Leben im mittelalterlichen Berlin, welche die Mittelalterhistoriker, die ja vor allem mit schriftlichen Quellen arbeiten, so nicht erlangen können. Der Schlüssel in der Erforschung des Mittelalters auch in Berlin liegt im interdisziplinären Arbeiten, das hat Claudia Maria Melisch gezeigt.

Gemeinsam mit Ines Garlisch und Jörg Feuchter hat Claudia Maria Melisch bei BeBra das Buch “Die ersten Berliner” veröffentlicht, das einen faszinierenden Einblick gibt in die Lebenswelten im Mittelalter. https://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/die-ersten-berliner.html

Claudia Maria Melisch war es aber auch wichtig, die untersuchten Knochen nicht einfach als “Material” zu behandeln. Es handelt sich schließlich um Menschen, die auch Jahrhunderte nach ihrem Tod noch eine Würde haben. Deshalb sollen wenigstens etwa 400 der Skelette (für alle ist leider kein Platz) stellvertretend für alle anderen in dem am Petriplatz errichteten Archäologischen Zentrum wieder bestattet werden – da, wo sie über viele Jahrhunderte hinweg lagen. Aufbewahrt wurden die menschlichen Überreste in den letzten Jahren in den Gewölben der Parochialkirche. 100 Freiwillige aus allen Teilen der Berliner Stadtgesellschaft haben sie nun wieder an ihren Ort zurückgebracht. Das war ein historischer Moment.

Jeder der Gebeinkisten lag eine Information bei über den Menschen, dessen Knochen nun wiederbestattet wurden – vom Kleinkind bis zum Greis. So wurden Personen, die sonst völlig der Vergessenheit anheim gegeben worden wären, für uns heute wieder lebendig.

Das Mittelalter wirkt noch fort. Wer es sehen will, schaue sich das Archäologische Haus an der Leipziger Straße an. Bald wird an der Stelle der Petrikirche das House of One stehen – als Ort der Einkehr und des Gebets in unserer Zeit.

Jahrhunderte alte Gebeine in feierlicher Prozession überführt | rbb24

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