Im Mittelalter wurden Grundlagen unserer heutigen Zeit geschaffen: Vom 5. bis ins 15. Jahrhundert setzte der Wandel von der Herrschaft des Adels hin zum Aufstieg des Bürgertums und der Städte ein. Völker und Religionen kämpften um Lebensraum, Kaiser und Päpste rangen um politischen Einfluss, Künstler und Abenteurer entdeckten die Welt neu. Der Historiker Uwe A. Oster beschreibt im „Atlas des Mittelalters“, Palm Verlag die wichtigsten Themen der mittelalterlichen Geschichte, da dürfen die Wikinger natürlich nicht fehlen:

 

© Pixabay/Bernhard_Staerck

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Die Raubzüge der Wikinger waren schon bei ihren Zeitgenossen berüchtigt. Doch dieses Bild ist unvollständig: Die Wikinger waren nicht nur Plünderer, sondern auch Kaufleute. Als her vorragende Seefahrer waren die Wikinger sowohl für den Handel als auch für Beutezüge bestens gerüstet: Ihre Schiffe waren schneller als alle anderen, und auch in Sachen Navigation konnte ihnen niemand das Wasser reichen.
Die Wikinger kamen aus dem heutigen Dänemark, Norwegen (mit den Lofoten), Südschweden (Götaland) sowie der mittelschwedischen Region um Uppsala und Birka im Mälarsee (Svealand). Im späten 9. Jahrhundert kam Island hinzu. Doch auf diesen nordeuropäischen Raum beschränkten sich die Wikinger oder Normannen (Nordmänner), wie sie auch bezeichnet wurden, nicht. An ihre Besiedlung Nordwestfrankreichs erinnert bis heute die Normandie, die der westfränkische König Karl der Einfältige dem Normannenhäuptling Rollo im Jahr 911 als Lehen übergab. Als Gegenleistung nahm Rollo das Christentum an und beendete seine Raubzüge im Umland. Von der Normandie zogen Mitglieder der Familie Hauteville zu Beginn des 11. Jahrhunderts als kampfeslustige Abenteurer in den Süden Italiens, wo sie im Auftrag des Papstes gegen die muslimischen Araber kämpften, die die Region zuvor von den Byzantinern erobert hatten. Bis 1091 eroberten sie Sizilien, 1128 wurde Graf Roger II. von Papst Honorius II. mit der Herrschaft über Apulien und Kalabrien belehnt. Am 25. Dezember 1230 krönte ihn der Erzbischof von Palermo zum König von Sizilien.
Im heutigen Russland drangen die Waräger (wie die Nordmänner hier genannt werden) auf dem Dnjepr bis nach Nowgorod und Kiew vor, wo sie maßgeblich am Aufbau des Herrschaftsverbandes der Kiewer Rus beteiligt waren. Über die Wolga drangen Wikinger sogar bis in das Schwarze Meer vor. Auch in Irland plünderten die Wikinger nicht nur, sondern verfolgten auch langfristige politische Interessen.
Zu Beginn des 9. Jahrhunderts ließ König Godfred das Danewerk zwischen Haithabu an der Schlei und Hollingstedt an der Treene ausbauen, einen Wall mit hölzernen Türmen und Palisaden, der das dänische Reich vor Angriffen aus dem Süden schützen sollte.
Die Annahme des Christentums durch den dänischen König Harald I. Blauzahn (um 935-987) markiert den Beginn der Einbindung Skandinaviens in die europäische Staatenwelt.
Dass Harald selbst um die Bedeutung dieses Aktes wusste, zeigt die Inschrift auf einem großen Runenstein im jütländischen Jelling: »Harald der König befahl, diesen Stein zu errichten, zum Gedenken an Gorm, seinen Vater, und an Thyra, seine Mutter. Der Harald, der für sich ganz Dänemark und Norwegen gewann und die Dänen zu Christen machte.«
Auf Harald geht auch die Anlage von vier charakteristischen Ringburgen – Fyrkat, Aggersborg, Trelleborg und Nonnebakken – zurück, ringartige Verteidigungsanlagen, die als Fluchtburgen und Winterquartiere dienten. Der Eroberung Norwegens fügte Haralds Enkel Knut der Große (1019-1035) noch England hinzu. Doch sowohl England als auch Norwegen gingen nach seinem Tod wieder verloren.
Die beiden wikingischen Siedlungsgebiete in Schweden gingen lange Zeit eigene Wege. Erst Olaf I. Skötkonung (um 990-1022) versuchte, Götaland und die Region um den Mälarsee, aus der er selbst stammte, unter seiner Herrschaft zu vereinen. Olaf war der erste christliche König Schwedens, doch zog sich die vollständige Christianisierung des Landes noch bis weit in das 12. Jahrhundert hin. Thronstreitigkeiten verhinderten darüber hinaus das Zusammenwachsen der beiden Landesteile.
Eine zentrale Gestalt der schwedischen Geschichte war Birger Jarl, der 1248 die Regentschaft des Landes übernahm. Er gründete die spätere Hauptstadt Stockholm und pflegte gute Kontakte zu einer Macht, die den Handel des Ostseeraums zunehmend kontrollierte: die Hanse. Ursprünglich ein Zusammenschluss norddeutscher Kaufleute, wurde daraus ein Städtebündnis, dem in seiner Blütezeit über 150 Mitglieder angehörten – von Köln bis Königsberg. Im 14. Jahrhundert wurde die Hanse zu der Vormacht im Ostseeraum. Dies zeigte sich auch in Finnland, das zwar zu Schweden gehörte, aber vom Einfluss deutscher Kaufleute dominiert wurde. Das bekannteste und größte Kontor der Hanse in Skandinavien befand sich im norwegischen Bergen; Zentrum des Handels in der Ostsee war die Stadt Visby auf Gotland.
Ihre Vormachtstellung im skandinavischen Raum sah die Hanse gefährdet durch den dänischen König Waldemar IV. Atterdag, der zunächst 1361 Schonen eroberte. Damit kontrollierte Waldemar die strategisch wichtige Meerenge zwischen Seeland und der südschwedischen Provinz, die auch für den Fischfang von zentraler Bedeutung war, denn durch dieses Nadelöhr drängten sich alljährlich im Herbst Millionen von Heringen auf dem Weg zu ihren Laichplätzen in der südlichen Ostsee. Die Messen auf Schonen waren der Umschlagplatz für Hering. Nur ein Jahr nach der Eroberung von Schonen fiel auch die Handelsstadt Visby auf Gotland an Waldemar. Das war zu viel für die Hanse, die alle Kräfte mobilisierte und Waldemar schließlich in die Knie zwang. Am Ende musste der dänische König 1370 in den Frieden von Stralsund einwilligen, der nicht nur den vorherigen Zustand wieder herbeiführte, sondern sogar darüber hinausging, indem sich die Hanse das Monopol für den Heringshandel auf Schonen sicherte.
Trotz dieses Scheiterns war es Waldemar, der die Weichen für die Entwicklung Skandinaviens über Jahrhunderte hinweg gestellt hat: Bereits 1363 hatte er seine Erbtochter Margarete mit dem norwegischen König Haakon verheiratet. Dies führte nach dem Tod Waldemars und Haakons zur Herrschaft Margaretes in Dänemark und Norwegen. In der Kalmarer Union kam 1391 auch noch Schweden hinzu, wo König Albrecht, der zugleich Herzog von Mecklenburg war, von einer Adelsopposition gestürzt worden war. Diese Union der drei Staaten hatte bis 1523 Bestand, als Schweden wieder selbstständig wurde. Dänemark und Norwegen blieben dagegen bis 1814 vereint.

Hier endet unsere Leseprobe. Mehr zu „Macht und Raum“, „Kaiser und Papst“, „Herrschaften in Europa“, „Leben in Stadt und Land“ und „Die Entdeckungder Wissenschaft“ im Mittelalter finden Sie fundiert aufgearbeitet und reich illustriert im „Atlas des Mittelalters“.

Der Journalist und Publizist Uwe A. Oster hat zahlreiche Sachbücher zu historischen Themen veröffentlicht. Bis 2012 war er stellvertretender Chefredakteur des bekannten Geschichtsmagazins DAMALS.

cover_atlasdesmittelalters_220
Uwe A. Oster
Atlas des Mittelalters
Von der Völkerwanderung bis zur Entdeckung Amerikas
160 Seiten, gebunden
rund 120 Abbildungen und Karten
978-3-944594-60-6
Palm Verlag
€ 19,95

(Urs Willmann hat auf Zeit online einen schönen Artikel zu den Wikingern veröffentlicht, in dem auch unser Autor Matthias Wemhoff zur Sprache kommt.)

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