Erste Christen in Rom: Unwillkürlich denkt man an Christenverfolgungen, düstere Katakomben und grausame Kaiser. Wie aber ist es um die historische Wirklichkeit bestellt? Bernd Kollmann beschreibt in seinem Buch “Die ersten Christen in Rom” die Geschichte der frühen römischen Christen von den Anfängen in kleinen Hausgemeinden bis hin zur Etablierung des Christentums als römische Staatsreligion im 4. Jahrhundert. Immer wieder waren die Christen Anfeindungen und Verfolgungen ausgesetzt, aber auch innerhalb der christlichen Gemeinschaft tobten Konflikte um den rechten Glauben und die rechte Lebensführung.

Es folgt eine Leseprobe aus dem Kapitel „Die Christenverfolgung unter Nero“, versetzen wir uns zurück ins Jahr 64 n. Chr.:

 

Der große Brand von Rom

Der Brand unter Nero war der größte Schicksalsschlag, den Rom bis zu seiner Eroberung durch die Goten im Jahr 410 erlitt. Feuersbrünste waren im antiken Rom nicht selten, doch keine der  Brandkatastrophen hatte derart verheerende Folgen für die Stadt und ähnlich gravierende Auswirkungen auf das politische Geschehen wie der verhängnisvolle Brand, der Rom in der Endphase der Herrschaft Neros heimsuchte.
Das Feuer brach in der Nacht zum 19. Juli 64 im südöstlichen Säulengang des Circus Maximus aus. Dort standen die hölzernen Verkaufsbuden der Händler, die mit ihren leicht entzündlichen Waren den Flammen rasch Nahrung boten. Die durch starke Winde angefachte Feuersbrunst breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Das Feuer zerstörte zunächst den gesamten Circus Maximus und vernichtete die umliegenden Stadtviertel, bevor es sich unaufhaltsam die Höhen des Palatin hinaufschlängelte und auf weitere Stadtbezirke übergriff. Alle Rettungsversuche und Löscharbeiten blieben vergeblich. Auch der Kaiserpalast auf dem Palatin hielt den Flammen nicht stand. Die Stadt mit ihren aus Holz errichteten und dicht aneinander gebauten Häusern bot der Feuersbrunst leichte Beute. Die Menschen, die rechtzeitig ihre Häuser verlassen konnten, gerieten in Panik und suchten in den engen, verwinkelten Gassen meist vergebens nach Fluchtwegen. Schnell waren sie von allen Seiten von den Flammen umzingelt und hatten kaum eine Chance, der Katastrophe zu entgehen. Andere kamen bei dem verzweifelten Versuch, Kranke oder Kinder aus dem Feuerinferno zu retten, ums Leben. Gleichzeitig waren Heerscharen von Plünderern unterwegs, die sich das Chaos zunutze machten und die von ihren Bewohnern verlassenen Häuser nach Wertgegenständen durchkämmten. Teilweise sollen sie sogar selbst kleinere Brände gelegt oder die Löscharbeiten behindert haben, um in der allgemeinen Panik ungestört ihrem kriminellen Handwerk nachgehen zu können.
Erst am sechsten Tag nach Ausbruch der Katastrophe konnte die Feuersbrunst gestoppt werden, indem man nordöstlich des Palatin am Fuß des Esquilin ganze Häuserzeilen abriss und damit ein Übergreifen der Flammen auf weitere Wohnviertel verhinderte. Auch danach loderte das Feuer an unterschiedlichen Stellen in der Stadt noch mehrfach wieder auf. Die Feuersbrunst hatte eine katastrophale Spur der Verwüstung hinterlassen. Von den 14 Stadtbezirken Roms waren nur vier gänzlich unversehrt geblieben. Drei Stadtbezirke lagen vollständig in Schutt und Asche, sieben waren weitgehend niedergebrannt. Neben dem Kaiserpalast Neros und der legendären Königsburg des Numa waren auch altehrwürdige Kultstätten wie der Lunatempel, der Herculestempel, der angeblich von Romulus gestiftete Jupitertempel und das Heiligtum der Vesta ein Raub der Flammen geworden.
Nero hielt sich beim Ausbruch des Feuers in seiner Villa in Antium auf. Als er dort die Schreckensnachricht von der verheerenden Feuersbrunst erhielt, eilte er nach Rom und bemühte sich nach Kräften, die Folgen der Brandkatastrophe zu mildern. Auf dem Marsfeld und in den kaiserlichen Gärten ließ er provisorische Bauten mit Notunterkünften für die obdachlos gewordenen Menschen errichten. Zudem ließ er große Mengen von Lebensmitteln heranschaffen, verfügte eine Senkung des Getreidepreises und organisierte Hilfsgelder aus den Provinzen zur Unterstützung der notleidenden Stadtbevölkerung. Die Bergung der Leichen aus den niedergebrannten Häusern und die Beseitigung der Trümmer erfolgten auf Staatskosten. Die Schiffe, die auf dem Tiber Getreide nach Rom brachten, wurden dazu verpflichtet, auf dem Rückweg Bauschutt zu laden, der in den Sümpfen von Ostia versenkt wurde.
Der Wiederaufbau der niedergebrannten Stadtviertel wurde mit staatlicher Unterstützung zügig in Angriff genommen. Dabei konnte Nero seinen Vorstellungen eines neuen Roms Gestalt verleihen, indem er die Stadtstruktur umfassend modernisierte. Strenge Brandschutzauflagen sollten sicherstellen, dass sich eine Katastrophe solchen Ausmaßes nicht noch einmal wiederholte. Beim Wiederaufbau, dem selbst die Gegner Neros nicht ihre Anerkennung versagten, traten an die Stelle der verwinkelten und dicht bebauten Gassen großzügige und begradigte Straßen. Sie waren nun von Häusern in beschränkter Höhe gesäumt, für deren Untergeschoss die Verwendung feuerbeständiger Steine vorgeschrieben war und die keine gemeinsamen Mauern mit den Nachbargebäuden aufweisen durften. Die Innenhöfe blieben unbebaut und mussten mit Feuerlöschgeräten ausgestattet sein. Zur Straße hin zierten prachtvolle Säulengänge die Häuserzeilen und sorgten für deren Beschattung.
Auch den Kaiserpalast auf dem Palatin gestaltete man völlig neu. Dort ließ Nero durch die renommierten Architekten Severus und Celer mit dem „Goldenen Haus“ (Domus Aurea) eine Residenz in unvorstellbarer Pracht errichten: Opulente Prunkbauten verschmolzen mit der umliegenden Naturlandschaft in einzigartiger Weise zu einer homogenen Einheit. Die Wände der Bauten waren mit Marmor getäfelt und mit Blattgold überzogen. Im Kuppelsaal des „Goldenen Hauses“ rotierte die das Weltall darstellende Decke dank aufwendiger Technik wie der Sternenhimmel. Der luxuriöse Villenkomplex mit Wasserlandschaften, Parkanlagen und Waldstücken rief allgemeine Bewunderung hervor, galt aber auch als sichtbarer Beweis der kaiserlichen Verschwendungssucht und Überheblichkeit. Zum Sinnbild der Selbstüberschätzung Neros wurde eine 40 Meter hohe Statue von ihm im Eingangsbereich des Palastes.
Nero blieb der Dank für seine umfangreichen Hilfsmaßnahmen und den Wiederaufbau Roms versagt. Bereits vor dem großen Brand hatte er durch politische Morde und mangelndes Interesse an den Staatsgeschäften sein Ansehen verloren. Beim Neubau seiner Residenz machte er sich neue Feinde in der Oberschicht Roms, indem die Besitzer umliegender Grundstücke entschädigungslos enteignet wurden. Auch in den unteren Schichten rumorte es. Die Menschen mussten mit ansehen, in welch unerhörter Pracht das neue Rom Gestalt annahm, während sie selbst bei der Feuerkatastrophe alles verloren hatten. Bald machten überall in der Stadt Gerüchte die Runde, der Kaiser selbst habe Rom niederbrennen lassen, um Platz für seine ambitionierten Bauprojekte zu schaffen und die Stadt in seinem Größenwahn in Neropolis umzubenennen. Zudem wurde die Geschichte verbreitet, Nero habe im Palast des Maecenas beim Anblick der in Flammen stehenden Stadt hingebungsvoll ein Lied auf den Untergang Trojas gesungen und dabei sein Bühnenkostüm getragen.
Als die Vorwürfe gegen den Kaiser immer lauter wurden, folgte dieser der Empfehlung seiner politischen Berater, den Christen in Rom die Schuld für die Brandkatastrophe zuzuschieben. Dass in den antiken Quellen nur bei Tacitus das Vorgehen Neros gegen die stadtrömischen Christen als Folge des großen Brandes gilt, berechtigt nicht zu dem gelegentlich geäußerten Rückschluss, diese Verbindung der Ereignisse als Fiktion zu betrachten. Der Bericht des Tacitus, der anders als beispielsweise Sueton berechtigte Zweifel an der tatsächlichen Verantwortung Neros für die Feuerkatastrophe durchblicken lässt, ist in sich stimmig und lässt das überaus brutale Vorgehen gegen die Christen als nachvollziehbar erscheinen. Auch der Umstand, dass zahlreiche Christen den Feuertod starben, spricht für die Darstellung von Tacitus. Diese Art der Hinrichtung stellt bereits im Zwölftafelgesetz aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. die im römischen Recht übliche Strafe für randstifter dar.

Zwangsmaßnahmen Neros gegen die Christen

Neros Versuch, sich auf Kosten der Christen vom Vorwurf der Brandstiftung zu befreien, stellt das erste gezielte Vorgehen des römischen Staates gegen das sich rasch ausbreitende Christentum dar. Die staatlichen Zwangsmaßnahmen trafen die Christen zunächst nicht wegen ihrer Religion, sondern wegen des Verdachts, Rom in Flammen gesetzt zu haben. Tacitus zufolge wurde zunächst eine kleinere Zahl von Christen ergriffen, von denen einige, vermutlich unter Folter, geständig waren. Dadurch kam eine Prozesswelle in Gang. Die Behörden weiteten ihr Vorgehen auf alle Christen Roms wegen angeblichen Menschenhasses aus. Neben dem kaum zu erhärtenden Vorwurf der Brandstiftung reichte allein die christliche Lebenshaltung und Weltanschauung, um Todesurteile zu rechtfertigen. Dies war nur möglich, weil die Christen als gesellschaftlich im Abseits stehende Bewegung mit dem Vorurteil belastet waren, eine Gemeinschaft von potenziellen Verbrechern und Staatsfeinden zu sein. Alles deutet darauf hin, dass es außerhalb der bestehenden Rechtsordnung in einer Art Pogromstimmung zu willkürlichen Massenprozessen mit Schnellverfahren kam.
Die öffentlichen Hinrichtungen wurden im Rahmen mehrtägiger Festspiele in aller Grausamkeit vollzogen. Ort des Geschehens waren die kaiserlichen Gärten am Vatikanischen Hügel, wo sich ein von Caligula errichteter und von Nero ausgebauter Circus befand. Unzählige Christen starben in der Arena oder erlitten den qualvollen Kreuzestod. Andere wurden nach Einbruch der Dunkelheit bei lebendigem Leib verbrannt, um den Parkanlagen Licht zu spenden. Tacitus bringt geradezu sein Bedauern zum Ausdruck, dass die Zwangsmaßnahmen Neros angesichts ihrer Brutalität eher Mitleid mit den Christen hervorriefen, als den berechtigten Hass auf sie zu schüren. Sueton listet das energische Vorgehen gegen die Christen, das er allerdings nicht ursächlich mit dem Brand von Rom in Verbindung bringt, unter den positiven politischen Leistungen des Kaisers auf.
Auch wenn es unter Nero keine generelle Christenverfolgung im Römischen Reich gab und von ihm kein allgemeines Gesetz gegen das Christsein erlassen wurde, hatte er mit seinen zeitlich und örtlich begrenzten Maßnahmen einen Präzedenzfall mit Signalwirkung geschaffen. Ob Nero seine willkürlich ergriffenen Anweisungen an die Behörden in Form eines administrativen Mandats fasste, das archiviert wurde und später auch in den Provinzen des Reiches als Rechtsgrundlage gegen das Christentum diente, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Vorgänge in Rom trugen aber im gesamten Reich zur Erhärtung des Vorurteils bei, dass es sich bei der christlichen Kirche um eine Institution handele, welche die Grundlagen des Staates gefährde.
Nach dem Brand Roms und der gescheiterten Schuldzuweisung an die Christen wuchs die Erbitterung über Nero im Senat und Militär derart an, dass es zur Pisonischen Verschwörung kam. Eine Gruppe von Senatoren plante, Nero zu ermorden und den früheren Konsul Piso als seinen Nachfolger einzusetzen. Obwohl die Verschwörung niedergeschlagen werden konnte, nahm der Druck auf den Kaiser zu, zumal dieser weiterhin Gesang und Wagenrennen in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellte und auf einer Griechenlandreise künstlerische Anerkennung suchte. In den Provinzen am westlichen Rand des Imperiums probten einzelne Statthalter den Aufstand. In Rom wuchs wegen steigender Getreidepreise der Hass der Bevölkerung auf den Kaiser. Als ihm in dieser Situation die Prätorianergarde die Gefolgschaft versagte, war Nero politisch erledigt. Nachdem er im Juni 68 vom Senat zum Feind des Gemeinwesens erklärt worden war, sah Nero keinen Ausweg mehr und setzte seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Er soll allerdings in den letzten Stunden vor seinem Tod die Flucht zum Partherkönig Vologaesus erwogen haben, mit dem er freundschaftlich verbunden war. Dies führte zu dem Glauben, Nero sei in Wirklichkeit dem Tode entronnen und werde aus dem Osten wiederkehren. In den Wirren des Vierkaiserjahres 69 machten sich dies mehrere Personen zunutze, die in Kleinasien mit dem Anspruch auftraten, der wiedergekommene Nero zu sein.

Das endzeitliche Tier steigt aus dem Meer, wie es in der Offenbarung des Johannes geschrieben steht, denkbar als Symbol des wiederkehrenden Nero. Kupferstich von Pierre Mariette 1670 nach Matthäus Merian d. Ä. © akg-images

Das endzeitliche Tier steigt aus dem Meer, wie es in der Offenbarung des Johannes geschrieben steht, denkbar als Symbol des wiederkehrenden Nero. Kupferstich von Pierre Mariette 1670 nach Matthäus Merian d. Ä. © akg-images

Die Erwartung eines wiederkehrenden Nero ergriff auch jüdische wie christliche Kreise und wurde zu einem Schreckensbild in der Apokalyptik. Die Vierte Sibylline, eine jüdische Apokalypse aus dem späten 1. Jahrhundert, hegt die Erwartung, dass Nero vom Euphrat kommend Rom angreifen wird. In der Fünften Sibylline aus der Zeit Hadrians tritt Nero als endzeitlicher Widersacher Gottes auf. Er kommt aus Persien, verwüstet Alexandria und bedrängt Jerusalem, bevor Gott seinen königlichen Messias gegen ihn sendet. Später überzieht der zurückgekehrte Muttermörder die ganze Welt mit Krieg. In der „Himmelfahrt des Jesaja“, einer christlich überarbeiteten jüdischen Schrift, tritt am Ende der Tage der Antichrist in Gestalt des zum Kaiserkult verführenden Muttermörders Nero auf. Auch die biblische Offenbarung des Johannes ist von derartigen Vorstellungen geprägt, wenn sie in verschlüsselter Form den wiederkehrenden Nero als endzeitliches Tier aus dem Meer beschreibt, das als Instrument des Teufels die gottlose Macht des Römischen Reiches repräsentiert (Offb 13). Die Schwertwunde des Tieres spielt darauf an, dass Nero sich erdolchte. Auch die geheimnisvolle Zahl 666, die als gematrisches Rätsel den Namen des Tieres bezeichnet, zeigt, dass es sich um keinen anderen als Nero handelt. Sie bildet im Hebräischen, das keine Zahlzeichen kennt und stattdessen Buchstaben mit festgelegten Zahlenwerten verwendet, die Quersumme der Wörter קסר נרון (Neron Kaiser).

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„Die ersten Christen in Rom“, erschienen im Palm Verlag, umfasst 176 Seiten und ist mit rund 100 Abbildungen und Karten ausgestattet. Der Band kostet € 19,95.

Der Theologe Prof. Dr. Bernd Kollmann lehrt Neues Testament an der Universität Siegen. Er hat zahlreiche populäre Sachbücher zu biblischen und kirchenhistorischen Themen geschrieben.
Von ihm und Detlef Dieckmann ebenfalls im Palm Verlag: “Das Buch zur Bibel”.

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