Am 5. August werden die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro im legendären Maracanã-Stadion eröffnet. Die aktuelle sechste Ausgabe des Magazins Berliner Geschichte blickt im Olympia-Fieber zurück auf die politisch aufgeladenen Spiele 1936 in Berlin. Sibylle Einholz beschäftigt sich in ihrem Artikel mit den reizvollen Zeitzeugnissen, die sich der Knipser-Fotografie verdanken, und kommt der damaligen Stimmung ganz, ganz nah. Im Folgenden können Sie einen Auszug aus Ihrem Beitrag lesen.
Was ist ein Knipser? Etwas herabwürdigend „Herr Schnappschuss“ tituliert, will der Knipser hauptsächlich bildliche Erinnerungen miterlebter Ereignisse bewahren. Während der Amateur seine Ambitionen beim Fotografieren gewissenhafter verfolgt, genügt dem Knipser dagegen, was in den Augen des professionellen Fotografen und des bemühten Amateurs nicht „richtig“ ist. Der Knipser hebt alles in seinen Alben oder Zigarrenkisten auf, mit dem er gerade noch zufrieden ist.
Daraus ergibt sich der Charme des „nicht Perfekten“, der anstelle von gedankenloser Knipserei heute Teil einer unverstellten, spontanen Ausdruckskraft ist. Knipser treten keiner Organisation bei, bleiben im Privaten. Die Motive ergeben sich durch aktuelle Situationen. Knipsen ist die Angelegenheit des Einzelnen, der weitestgehend individuelle Interessen verfolgt.
Erwachendes Interesse des Staates
Schon bald nach 1933 begann sich der Staat für die Amateurfotografie zu interessieren. „Stelle Deine Kamera in den Dienst des Volkes!“ wurde zum Slogan. Die von der Partei umworbenen Volksgenossen sollten ihren Beitrag liefern und jede Familie sich fotografierend betätigen. Das Fotoalbum wurde zum Ehrenbuch der Familie erhoben, jedes fotografierte Ereignis im privaten Kreis gezeigt und positiv gewürdigt. Auf diese Weise entwickelten sich Fotografien zu einem wichtigen Propagandamittel des NS-Staates. Die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) bot, neben billigen Urlaubsreisen und Veranstaltungen, Kurse zum Fotografieren an. Im Rahmen der Spiele 1936 spielte es keine geringe Rolle, dass die Knipser zum großen Geschäft der Fotoindustrie geworden waren. Die Mobilisierung des „Millionenheeres“ der Amateurfotografen war längst gelungen.
Offiziell genehmigte Veröffentlichungen der Illustrationen sportlicher Wettkämpfe durch Verlage und Agenturen überschütteten die Sommerspiele. Sie prägen bis heute das Bild des Megaevents. Der eigens gegründete Reichssportverlag veröffentlichte nicht nur das „Reichssportblatt“ mit aktuellen Berichten in Wort und Bild, er gab auch die amtlichen Olympiapostkarten zugunsten des Olympiafonds heraus. Die „Olympia Zeitung“ war das offizielle Organ der Spiele. Vom Propagandaministerium genehmigte Sammelbilder für Klebealben kamen von unterschiedlichen Anbietern auf den Markt. Bekannt geworden sind der „Cigaretten-Bilderdienst“ der Firma Reemtsma in Hamburg sowie die Berliner „Presse-Bild-Centrale“ Braemer und Gull oder auch die Farbsammelbilder der Kaffee-Firma Frank. Die Abbildungen wurden als Serien angeboten, konnten aber den Knipsern kein Vorbild sein, da sie erst nach dem Ende der Spiele erschienen.
Fotopostkarten der Austragungsorte waren bereits erhältlich. So zeigt eine Ansichtskarte die markanten Türme des Osttores zum Olympiastadion und dahinter das noch nicht ganz fertiggestellte Gelände des Parkplatzes. Ein späteres Sammelbild zeigt das Osttor am 1. August 1936 mit vielen Menschen, die zur Eröffnung gekommen waren.
Wo kam man in der Stadt mit den Spielen in Berührung? Das Berliner Zentrum zwischen Lustgarten und dem Brandenburger Tor war festlich geschmückt: „… in einigen Stunden ballen sich Hunderttausende, ja Millionen in den Brennpunkten des Geschehens“, heißt es in der Presse. Bevor das olympische Feuer ins Olympiastadion gebracht wurde, feierte man seine Ankunft im Lustgarten, der zu beiden Seiten von Hakenkreuzbannern gesaumt war.
Während der Dauer der Spiele waren zwei Feuerschalen aufgestellt, die ununterbrochen brannten – eine im Lustgarten selbst und eine vor dem Berliner Stadtschloss. Der Pariser Platz mit seinem Schmuck war ein weiterer „erlesener Höhepunkt“ der Via Triumphalis. Hier fand der Knipser hauptsächlich sein Terrain, um am international-festlich gestalteten Ereignis teilzunehmen. In das Stadion hinein und zu den Wettkämpfen ging es nur, wenn man die begehrten Eintrittskarten besaß. „Olympia in der Stadt“ war dagegen frei zugänglich. Von hier führte die olympische Feststraße zum Reichssportfeld.
Hier endet unsere Leseprobe. Den ganzen Beitrag von Frau Einholz finden Sie in der aktuellen sechsten Ausgabe des Magazins „Berliner Geschichte. Zeitschrift für Geschichte und Kultur“, die Sie für nur € 4,95 erwerben können.
Prof. Dr. Sibylle Einholz studierte Kunstgeschichte und Ethnologie an der FU Berlin. 1984 Promotion, danach wissenschaftliche und kuratorische Museumstätigkeit. 1995 bis 2013 Professorin im Studiengang Museumskunde an der HTW Berlin. Sprecherin der Fachgruppe Fotografie im Landesverband der Berliner Museen.
Beitragsbild ganz oben:
Das Sammelbild des „Cigaretten-Bilderdienstes“ der Firma Reemtsma zeigt Besucherscharen am Osttor des Olympiastadions am 1. August 1936, dem Tag der Eröffnung der Spiele. © Sammlung Einholz
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