Am 28. Februar 1847 brach im Großherzoglichen Hoftheater der badischen Residenzstadt Karlsruhe ein Brand aus. 65 Menschen starben, etwa 200 trugen bei diesem Unglück Verletzungen davon.
In Deutschland kam es im 19. Jahrhundert zu mehr als 20 Theaterbränden. Diesen fielen, anders als in Karlsruhe, zum Glück vergleichsweise wenig Menschen zum Opfer. Schwere Verluste verzeichnete man im europäischen Ausland. Das Feuer in der Pariser Opera Comique am 25. Mai 1887 forderte 131 Todesopfer, das Feuer im Theatre Royal in Exeter am 5. September 1887 sogar 180. Besonders traurige Geschichte schrieb der Brand des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember 1881, bei dem 384 Menschen den Tod fanden. Meist brach im Zuschauerraum Panik aus, die flüchtenden Besucher stauten sich in den wenigen und engen Notausgängen, gestürzte Menschen wurden zu Tode getrampelt.
Wie konnte es zu diesen Katastrophen kommen? Zum einen waren die Theater mit leicht entzündbaren Materialien wie Kulissen, Dekorationen und Vorhängen ausgestattet. Zum anderen bargen Gas- und Öllampen ein erhebliches Feuerrisiko – elektrische Beleuchtung war noch unbekannt. Das Bühnenpersonal stand den sich entwickelnden Bränden meist hilflos gegenüber. Ein „Eiserner Vorhang“, der die Bühne vom Zuschauerraum im Brandfall wirksam abtrennt, wurde in Deutschland erst ab Ende der 1870er-Jahre nach und nach in den Spielstätten üblich.
Das 1810 erbaute Hoftheater in Karlsruhe besaß drei Galerien und fasste insgesamt 1800 Zuschauer. Anlässlich eines etwas später vorgenommenen Umbaus überzog man Decken und Brüstungen zur Verschönerung und zur Verbesserung der Akustik mit bemalten Leinwänden. In einigen Logen drapierte man die Wände mit Seidenstoffen. Zwei der vier Fluchtwege aus der dritten bzw. obersten Galerie waren – verdeckt von Draperien – unzugänglich. Bei der Installation der Gasbeleuchtung beging man einen weiteren schweren Fehler: Die Leuchten in der fürstlichen Loge platzierte man viel zu dicht an den Stoffdraperien. Am Sonntag, dem 28. Februar 1847, sollte um 18 Uhr das populäre Bühnenstück „Der artesische Brunnen“ aufgeführt werden. Kurz vor Spielbeginn unterlief einem ungeschickten Hofdiener beim Anzünden der Gaslampe im Vorraum der Hofloge ein folgenschweres Missgeschick: Die Wandbekleidung fing Feuer. Anstatt sie beherzt herunterzureißen, eilte der Hofdiener davon, um seinem Vorgesetzten Meldung zu erstatten. So breitete sich das Feuer in den Logen aus. Bei diesem Anblick geriet das Publikum im Saal in Panik. Die Besucher im Parkett und in den beiden Galerien konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Den Besuchern in der obersten Galerie aber stand nur ein einziger Notausgang zur Verfügung, der zweite war, angeblich um Personal zu sparen, verschlossen.
Die Tür dieses einzig verbliebenen Notweges ließ sich jedoch nur entgegengesetzt zur Fluchtrichtung öffnen. Als die zentrale Gasversorgung abgestellt wurde, lag das gesamte Gebäude im Dunklen – das Chaos war perfekt. Es müssen sich schreckliche Szenen abgespielt haben. Die alarmierten Karlsruher Löschkräfte standen mit ihren Handdruckspritzen vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Das Theatergebäude brannte lichterloh, und das Feuer drohte auf umstehende Gebäude überzugreifen. Aus der Nachbarschaft eilten Löschmannschaften zur Unterstützung herbei. Dabei fiel das erst kürzlich vom Stadtbaumeister Christian Hengst gegründete Pompier-Corps aus Durlach (heute ein Stadtteil von Karlsruhe) durch sein diszipliniertes, mutiges und zielführendes Vorgehen auf. Hengst teilte jedem seiner Männer feste Aufgaben zu: als Steiger, Pumpenbediener und Rohrführer. Diese einzelnen Tätigkeiten hatten sie zuvor mit militärischem Drill eingeübt, bis jeder Handgriff saß. Der „Ernstfall Karlsruhe“ bestätigte Hengsts Methode nachdrücklich. Sein Pompier-Corps erschien bereits 36 Minuten nach Alarmierung an der Großbrandstelle und konnte die angrenzende Orangerie und andere Liegenschaften retten. Der Erfolg war jedoch nicht allein der neuen, bis dato unbekannten Organisation zu verdanken: Durlach besaß die neueste Spritze des Heidelberger Fabrikanten Carl Metz.
Plötzlich war das öffentliche Interesse an der Verbesserung des Löschwesens enorm gestiegen. Die Karlsruher Zeitung vom 16. März 1847 beispielsweise schrieb:
„Wie ein ins Wasser geworfener Stein immer weitere Kreise schlägt, so gehen auch die Zuckungen in Folge des Brandes immer weiter, und feuern überall zu erhöhten Anstrengungen auf, ähnliches Unheil in Zukunft unmöglich zu machen. In kurzer Zeit haben folgende Städte Abordnungen nach Durlach gesandt: Carlsruhe, Ettlingen, Bruchsal und Rastatt.“
Die Karlsruher Zeitung war es auch, die am 19. November des Jahres erstmals den Begriff „Feuerwehr“ verwendete. Bis dahin waren in Deutschland unterschiedliche Benennungen für die Löschmannschaften gebräuchlich, zum Beispiel „Löschverein“ oder „Löschcorps“ sowie im süddeutschen Raum nach französischem Vorbild „Pompier-Corps“ bzw. in Hamburg „Feuerlöschanstalten“. So führte der Karlsruher Theaterbrand letzten Endes auch zum Begriff der „Feuerwehr“.
Der Text ist der Ausgabe 16 der Reihe Faszination Feuerwehr entnommen. Das Magazin erscheint alle 14 Tage im Verlag De Agostini und bietet neben Texten zu Geschichte, Technik und Einsätzen der Feuerwehr in jeder Ausgabe ein detailgetreues Modell im Maßstab 1:72 eines legendären Feuerwehrautos mit Original-Ausstattung. Die Reihe Faszinazion Feuerwehr wird realisiert von der Palmedia Publishing Services GmbH.
Informationen zum Autor Dipl. Ing Manfred Gihl, Branddirektor a.D., finden Sie auf seiner Homepage.
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